janw.de - Unterwegs in Tschechien
 Dresden - Lovosice - Úpořiny - Ústí nad Labem 02.04.2010 
Es ist Karfreitag und es stellt sich die Frage, was man mit dem freien Tag anfängt. Man könnte ja mal wieder fuzzen gehen... Da das Angebot vor der Haustür eher dürftig und ziemlich einheitlich verkehrsrot ausfällt, ist schnell der Entschluß gefaßt: Einmal quer durch Deutschland und am besten gleich noch darüber hinaus - die Wahl fällt letztendlich auf eine kleine Runde rund um Ústí nad Labem, etwas Brotbüchsefahren inklusive.

Zwischenstop in Dresden. Hier kommt mir der EC 378 entgegen, dessen Lok und Wagen noch in der klassischen ČD-Lackierung unterwegs sind. Wer weiß, wie lange man solche Bilder noch machen kann, die ersten blau-weißen EC-Wagen sind schon im Umlauf.

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371 001 mit EC 378 "CARL MARIA VON WEBER" Wien Praterstern - Ostseebad Binz in Dresden Hbf

Mit dem nächsten Eurocity führt die Fahrt weiter nach Ústí nad Labem. Zuglok ist 372 201, die seit einer Weile im neuen Najbrt-Lack herumfährt. Zusammen mit den weißen DB-Wagen gibt sie eine recht hübsche Zuggarnitur ab.

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371 201 (ex DB 180 001) mit EC 175 "JAN JESENIUS" Hamburg-Altona - Budapest-Keleti pu in Ústí nad Labem hl.n.

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750 258 mit R 1162 Liberec - Ústí nad Labem hl.n. in Ústí nad Labem hl.n.

Im altbekannten Grün/Weiß kommt der Schnellzug aus Liberec daher. Zum letzten Fahrplanwechsel wurden die Schnellzugeinsätze der Baureihe 750 zwichen Liberec und Ústí nad Labem auf nur noch einen Umlauf reduziert. Soweit die Theorie, in der Praxis ist neben den Triebwagen auch gelegentlich noch eine zweite Lok unterwegs, u.U. auch mit rot-beigen Wagen.

Auch die Museumslok E 499.112 ist gerade mal wieder dabei, sich die Füße, äh - Radreifen zu vertreten. Die mittlerweile 51 Jahre alte Maschine kommt gelegentlich immer noch vor regulären Planzügen im nordböhmischen Gleichstromnetz zum Einsatz. Mit etwas Glück kann man die Lok (meistens) auf den KBS 072 Ústí nad Labem - Lysá nad Labem, 090 Děčín - Praha und 130 Ústí nad Labem - Chomutov zu Gesicht bekommen.

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E 499.112 (141 012) als Leerfahrt Děčín hl.n. - Ústí nad Labem západ in Ústí nad Labem hl.n.

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363 086 (EURO) in Ústí nad Labem hl.n.

Unterhalb des Větruše-Schlößchens wartet 363 086 (einst Werbelok für die tschechische Postsparkasse und nun ganz in Rot mit Werbung für das Nachrichtenmagazin EURO) auf den Schnellzug aus Praha und ihren nächsten Einsatz nach Cheb. Wie es aussieht, ist der Hangabrutsch an der Větruše-Terasse wieder instandgesetzt worden, außerdem ist inzwischen offenbar tatsächlich der Bau einer Seilbahn zwischen dem Stadtzentrum über die Gleisanlagen hinweg zu dem beliebten Aussichtspunkt geplant.

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163 093 (ČEZ) mit Os 6820 Děčín hl.n. - Most und 363 086 (EURO) mit R 612 "BÍLINA" Praha hl.n. - Cheb in Ústí nad Labem hl.n.

Das Zusammentreffen von zwei Werbeloks in Ústí nad Labem ist pures Fotografenglück und nur einer Verspätung des R 612 zu verdanken. Normalerweise fahren die beiden Züge etwa um eine Viertelstunde versetzt und sehen sich auf dem gesamten Laufweg nicht.

Obwohl der R 612 das Fahrplangefüge auf der KBS 090 etwas durcheinander gewirbelt hat, schafft der ihm aus Praha nachfolgende Stadtelefant der Baureihe 471 seine Wende fahrplangemäß. Elefantös geht es nun die Elbe flußaufwärts an der Burg Střekov und der Masarykschleuse vorbei weiter in Richtung Lovosice. Aus dem Obergeschoss der unglaublich laufruhigen Doppelstocktriebwagen hat man nun die nächsten Kilometer eine wunderbare Aussicht auf den Fluß und das gegenüberliegende Ufer mit der KBS 072, auf der modellbahngleich hauptsächlich Personen- und Kohlezüge zu sehen sind. (Die Aussicht von der gegenüberliegenden Seite ist übrigens bei weitem nicht so gut, da das Umfeld der Strecke deutlich zugewachsener und verbauter ist als das der KBS 090.)

Ein paar Kilometer vor Lovosice durchfährt der Zug zwischen Litochovice nad Labem und Malé Žernoseky die Porta Bohemica, auch Böhmische Pforte (Česká brána) genannt. Diese ist der Beginn des Elbdurchbruchs durch das Böhmische Mittelgebirge.

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Porta Bohemica (Česká brána), Blick nach Südosten

Von links nach rechts zu sehen sind der Dreikreuzberg (269 m), einige sich anschließende Weinterrassen am Malá Vendula (239 m), der Ort Velké Žernoseky am Fuße des Berges Třešňovka (261 m) und direkt im Hintergrund der 399 m hohe Radobýl, hinter dem sich Litoměřice befindet. Vor dieser Szenerie schlängelt sich die Elbe (Labe) durch die Landschaft. Der leichte Farbstich des Bildes hat seine Ursache in den dunkel getönten Scheiben des fahrenden Stadtelefanten, aus dem diese Aufnahme entstand.

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162 020 mit R 617 "KRUŠNOHOR" Cheb - Praha hl.n. in Lovosice

Ankunft in Lovosice. Hier zweigen von der KBS 090 Děčín - Praha Nebenbahnen in Richtung Litoměřice - Česká Lípa (KBS 087), Most (KBS 113), Louny - Postoloprty (KBS 114) und Úpořiny - Teplice (KBS 097) ab. Die Strecke nach Most, die bis Čížkovice zusammen mit der KBS 114 verläuft, ist seit Ende 2007 abgesehen von sommerlichen Ausflugsfahrten ohne regelmäßigen Personenverkehr. Alle anderen sind noch fest in der Hand der Brotbüchsen der Baureihe 810, was angesichts der zunehmenden Ausbreitung der Regionovas keineswegs mehr so selbstverständlich wie vor wenigen Jahren ist. Wenn ich mich nicht irre, geben die 495,2 km auf dem Bild die Bahnkilometrierung von Wien aus an, war doch die heutige KBS 090 einst eine der ersten Staatsbahnen der österreichischen Kaiserzeit. Hinter der Lok erhebt sich der 570 m hohe Lovoš, der im Tertiär noch reichlich Lava und Flugasche produzierte. Links davon sind weitere Berge des böhmischen Mittelgebirges zu sehen, die ebenfalls vulkanischen Ursprungs sind.

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810 653 in Lovosice

In Lovosice gibt es auch ein Wiedersehen mit einem der letzten blau-gelb-weißen 810. Soweit mir bekannt, fahren mittlerweile nur noch maximal sieben Triebwagen in der sogenannten ODS-Lackierung herum: 810 341, 368, 508, 563, 565, 621 und 653. (Aus 810 396 wurde in der Zwischenzeit die Regionova-Hälfte 814 072.)

Zur großen Freude ist der innen noch originale 810 653 auch der Triebwagen, mit dem es nun über die KBS 097 bis Úpořiny gehen soll. Die Stecke ist ein Teil der Nordböhmischen Transversalbahn, die von der Aussig-Teplitzer-Eisenbahn (ATE) von Teplice über Lovosice und Česká Lípa nach Liberec gebaut wurde. Im Durchgangsverkehr besitzt sie aber schon sehr lange keine Bedeutung mehr. Lovosice wird in nördlicher Richtung verlassen, wobei die Nebenbahn schon bald nach links auf ihr eigenes Gleis abbiegt. Nach ein paar Metern wird Lovosice zastávka, der frühere Bahnhof der ATE, erreicht. In Sichtweite befindet sich der Haltepunkt Lovosice město der KBS 090. Die Bahn verläßt hinter dem Ortsende das Elbtal und gewinnt schnell an Höhe. Aus dem Zug heraus hat man nun hier wie auch an anderen Stellen der KBS 097 einen wunderbaren Ausblick auf das böhmische Mittelgebirgsland.

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Blick aus dem Zug hinter Lovosice nach Osten, die Häuser links vorn gehören zu Malé Žernoseky, im Hintergrund die Elbe und der Radobýl

Kurz darauf verschwindet die Strecke nach einer Linkskurve im Wald und verläuft weiter in mittlerer Hanglage. Weiter unten im Grund plätschert der Milleschauer Bach (Milešovský potok) an einer alten Mühle vorbei. Nächster Haltepunkt, eigentlich nur ein Wartehäuschen, ist Oparno. Hier gibt es in der Nähe eine alte Burgruine zu sehen, der Ort liegt weiter oberhalb. Man könnte stundenlang mit der Brotbüchse durch den Wald rumpeln, die plötzlich auftauchenden Betonbögen einer zukünftigen Autobahnbrücke reißen einen aber jäh wieder zurück in die Realität. Aus dem Wald heraus, ist man in einer ländlichen Gegend angekommen. Der Zug erreicht kurz darauf Chotiměř, wo die lange Laderampe ins Auge fällt. Gegenüber sind der 837 m hohe Milešovka (Milleschauer Berg) und der 710 m hohe Kletečná, die höchsten Vulkankegelberge des böhmischen Mittelgebirges, in Sichtweite. Schaut man bei Dobkovičky talwärts, sieht man die nächste halbfertige Autobahnbrücke in der Landschaft stehen. Diese gehört zum letzten noch unvollendeten Teilstück der Autobahn Dresden - Praha. Der nächste Halt hinter Radejčín ist der Bahnhof Žim, wo der Reisende von abgestellten gedeckten Güterwagen überrascht wird. Güterverkehr, hier? Immerhin: man hat den Bahnhof nicht einfach so zugestellt, sondern in Höhe des Bahnhofsgebäudes eine Lücke gelassen, so daß das Gleis der Regelzüge zu Fuß ohne Probleme direkt erreicht werden kann. Ein Blick auf eine (meist nicht allzu aktuelle) Satellitenkarte offenbart jedoch, daß die Güterwagen hier vielleicht schon seit Monaten oder Jahren stehen. Auf den nächsten Kilometern kann man sich sein Panorama aussuchen: westlich der Blick auf Teplice oder östlich zu den Neubauvierteln von Ústí nad Labem. Beim nächsten Halt in Boriřlav sieht der Blick aus dem Fenster so aus:

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Blick aus dem Zug von Bořislav aus nach Nordwesten

Die in der linken Bildmitte stehende Spitze ist der auffällige Wasserturm von Teplice, die Häuser daneben gehören ebenfalls zur Stadt. Am Horizont erhebt sich das Erzgebirge, dessen steil ansteigende tschechische Südseite völlig anders aussieht als man das hierzulande gewohnt ist. Auf Žalany zastávka folgt Žalany, auch hier stehen ein paar Güterwagen abgestellt und eine Schulklasse füllt in Sekunden den Beiwagen (Karfreitag ist in Tschechien kein Feiertag). Die Bahnstrecke führt nun talwärts, hinter Hradiště v Čechách sieht man weiter unten im Tal schon die Brotbüchse aus Bílina fahren, die man gleich in Úpořiny wiedersieht. Während diese aber noch einmal in Lbín hält, durcheilt unser Zug noch einen Tunnel, überquert eine Brücke und ist zuerst in Úpořiny.

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810 653 mit Os 16112 Lovosice - Teplice v Čechách in Úpořiny

In Úpořiny kreuzt die KBS 097 Lovosice - Teplice die KBS 131 Ústí nad Labem - Bílina. Obwohl letztere Strecke elektrifiziert ist, wird der Personenverkehr mit 810 gefahren, was dazu führt, daß es alle zwei Stunden (ähnlich wie in Lovosice) in Úpořiny ein großes Brotbüchsentreffen mit vier Triebwagen in alle Richtungen gibt. Da ich den EC 170 in Ústí nad Labem noch erreichen will, wechsle ich hier nun auf die KBS 131. Anstelle der Urbrotbüchse gibt es nun die modernisierte Variante mit Regionovasitzen, Fahrscheinautomat und an jedem Bahnhof einer automatischen Lautsprecherdurchsage, daß man das Ein- und Aussteigen beenden möge, was der nächste Halt ist und so weiter. Die KBS 131 folgt dem Flußlauf der Bílina, die in Ústí nad Labem in die Elbe (Labe) mündet. Neben dem eher spärlichen Personenverkehr verkehren hier hauptsächlich die allgegenwärtigen Kohle- und weitere Güterzüge. Der erste Gegenzug wartet schon in der Bahnhofsausfahrt von Úpořiny, im Bahnhof Řehlovice mit seinen großzügigen Gleisanlage kommt schon der nächste entgegen. Etwa ab Trmice ist die Strecke nur noch für Industriefans interessant, da es ab hier im Wesentlichen nur noch Kraftwerksanlagen und schließlich den riesigen Güterbahnhof Ústí nad Labem západ zu sehen gibt. Schließlich bin ich wieder da, wo ich etwa zweieinhalb Stunden vorher losgefahren bin - im Hauptbahnhof von Ústí nad Labem.

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162 011 mit Sp 1698 Ústí nad Labem hl.n. - Chomutov in Ústí nad Labem hl.n.

Es bleibt noch etwas Zeit, einen der nur Mo-Fr verkehrenden Eilzüge nach Chomutov abzulichten (interessanterweise mit einer Lok der Baureihe 162) und auf den Eurocity zurück nach Deutschland zu warten, der zum beginnenden Sonnenuntergang schließlich eintrifft.

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371 201 mit EC 170 "HUNGARIA" Budapest-Keleti pu - Berlin Hbf (tief) in Ústí nad Labem hl.n.

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