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 Tschechischer Frühling (Teil 2): Ústí nad Labem - Litoměřice - Lovosice - Děčín 26.04.2009 
Im nun folgenden zweiten Teil drehen wir noch einmal eine kleine Nachmittagsrunde. Dieses Mal beginnen wir in Ústí nad Labem, fahren auf der Ostseite der Elbe bis nach Litoměřice und von dort über Lovosice und somit am anderen westlichen Ufer wieder flußabwärts bis Děčín.

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371 015 mit EC 175 "JAN JESENIUS" Berlin Hbf (tief) - Budapest-Keleti pu in Ústí nad Labem hl.n.

Ústí nad Labem ist eine Stadt mit insgesamt vier Bahnhöfen, enorm vielen Gleisanlagen und entsprechend massig viel Schienenverkehr. Von Norden aus Richtung Děčín kommend durchfährt man zunächst den Haltepunkt Ústi nad Labem sever (Nord), der im Vorort Krásné Březno liegt. Wichtigster Bahnhof und auch Eurocity-Halt ist der dann folgende Hauptbahnhof, der in einer Kurve liegt und vor etwa zwei Jahren gründlich renoviert und modernisiert wurde. Von hier aus kann man weiter elbaufwärts in Richtung Lovosice - Praha fahren oder über eine Verbindungsbahn nach Ústí nad Labem západ (West) gelangen. Nur vom Westbahnhof aus gelangt man über eine spektakuläre Eisenbahnbrücke auf das Ostufer der Elbe, wo sich dann der vierte Bahnhof Ústí nad Labem-Střekov befindet - und in diese Richtung geht die Fahrt. Vom Haupt- zum Westbahnhof kann man entweder durch die Stadt laufen (20 min), oder man fährt "die paar Meter" mit einem der Personenzüge Děčín - Most (- Chomutov) bzw. der Brotbüchse von Ústí nad Labem hl.n. über Úpořiny nach Bílina. Letztere harmoniert fahrplanseitig gut mit den Eurocity und den Schnellzügen vom Ústí nad Labem západ nach Kolín.

Wer sich das ganze Treiben von oben ansehen will, der sollte sich zum Větruše-Schlößchen aufmachen. Der beliebte Aussichtspunkt befindet sich unmittelbar südwestlich des Hauptbahnhofs (man sieht das gelbe Gebäude mit dem Turm sofort), in etwa 20 min ist man den steilen Berg hinauf gestiegen.

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Viamont Cargo 753 724 (ex 753 168) + 753 723 (ex 753 052) in Ústí nad Labem západ

Die Lokomotiven der Baureihe 753.7 sind CZ LOKO-Umbauten aus den Baureihen 750, 752 und 753, die u.a. mit einem neuen 1455 kW starken Caterpillar 3512 B DITA-Motor ausgestattet sind. Von den ursprünglichen Baureihen sind die Maschinen recht einfach an den geänderten seitlichen Lüftungsgittern zu unterscheiden. Die Loks sind seit 2002 bei mehreren Privatbahnen wie z.B. Viamont Cargo, OKD Doprava oder Unipetrol Doprava unterwegs. Im letzten Jahr hat sich nun auch die ČD Cargo zum Umbau von 30 Lokomotiven entschlossen (753 751 bis 753 780), von denen die ersten schon im Einsatz sind.

Im Hintergrund des Bildes kann man die riesigen Anlagen des Güterbahnhofs Ústí nad Labem západ erahnen. Ebenso befindet sich hier ein Bahnbetriebswerk der ČD Cargo, an dessen Eingang man die 121 059 als Denkmalslok (mit falscher Nummer E 469.110, richtig wäre E 469.159) aufgestellt hat. Fährt man in diese Richtung, so gelangt man entweder über Teplice oder Úpořiny nach Bílina und von dort weiter nach Most und Chomutov.

Wir fahren jedoch in die entgegengesetzte Richtung, überqueren die Elbe und finden uns kurz darauf in Ústí nad Labem-Střekov wieder. Hier treffen wir auf die von Děčín východ kommende Ostelbstrecke, die über Litoměřice, Mělník und Nymburk nach Kolín führt. Unterhalb der Burg Střekov und vorbei an der Masaryk-Schleuse fahren wir nun auf der KBS 072 südwärts. Der Rychlík (Schnellzug) fährt in Sebuzin und Libochovany ebenso wie in Velké Žernoseky durch. Am Fuß des Radobýl, einem 399 m hohen markanten Kegelberg, biegt die Strecke ebenso wie der Fluß etwa in einem 90°-Winkel nach Osten ab und wir erreichen kurz darauf den Stadtbahnhof von Litoměřice, in unmittelbarer Nähe der Mündung der Ohře (Eger) in die Labe (Elbe) gelegen. Die Fahrt dauerte von Ústí nad Labem západ aus nur etwa 20 Minuten.

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163 076 mit R 721 Ústí nad Labem západ - Kolín in Litoměřice město

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Litoměřice mit dem St. Stephans-Dom, im Hintergrund der Radobýl, unten die KBS 072

Diverse Reiseführer sind der Meinung, daß Litoměřice zu den tschechischen Städten gehört, die man unbedingt gesehen haben sollte. In der Tat ist die 25000-Einwohner-Stadt ein überaus nettes Fleckchen Erde, für das man gemütlich zwei bis drei Stunden verplanen sollte, wenn man mal in der Gegend ist. Neben dem Domhügel und einem sehenswerten Marktplatz gibt es z.B. nordöstlich des Stadtzentrums noch einen kleinen Park (Jiráskovy sady), an dem man auf dem Weg zum oberen Bahnhof vorbeikommen kann. Zu letzterem müssen wir nämlich hin, um auf direktem Wege weiter nach Lovosice zu kommen.

Der obere Bahnhof, an der KBS 087 Lovosice - Česká Lípa gelegen, verfügt über ein aus architektonischer Sicht durchaus sehenswertes Empfangsgebäude und auch über ausgedehntere Gleisanlagen als der Stadtbahnhof. Neben den durchgehenden Zügen von Postoloprty (KBS 114) nach Česká Lípa enden hier auch die Kurzpendel von Lovosice (erstaunlicherweise sind auf der nur 8 km langen Strecke zwei Umläufe im Einsatz), einzelne Züge fahren im Berufsverkehr noch weiter bis Ústek. Wie es der Zufall wollte, traf ich hier auf einen speziellen 810...

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810 039 und 810 653 in Litoměřice horní n., beide Triebwagen waren im Pendelumlauf nach Lovosice eingesetzt

Die blau-weißen 810 mit den gelben Stirnfronten sind außerordentlich selten geworden. Meines Wissens gibt es maximal noch acht Brotbüchsen in dieser Lackierung: 810 341, 368, 396, 508, 563, 565, 621 und 653. Von diesen Triebwagen ist 810 341 an Viamont vermietet und gelegentlich zwischen Sokolov und Kraslice zu finden. Die Brotbüchsen 810 563 und 810 565 können im Umkreis von Trutnov mit viel Glück als einzigste sogar noch gleichzeitig angetroffen werden. 810 653 ist m.W. in Rakovník stationiert und ist somit u.a. auch auf den südlicheren Brotbüchsenstrecken des Ústecký kraj unterwegs.

Die Strecke von Litoměřice horní n. nach Lovosice verläuft in einem Bogen deutlich oberhalb der Altstadt entlang. Am Rande eines Neubaugebietes gibt es noch einen Haltepunkt Litoměřice Cihelna (Ziegelei), dann verlassen wir die Stadt und fahren an Weinbergen entlang wieder in Richtung des Radobýls. Nach einer Weile treffen wir auf die KBS 072, die nun ein paar Kilometer etwas unterhalb, jedoch weitgehend parallel zu unserer Strecke verläuft. Etwas weiter westlich existiert auch eine Verbindungskurve zwischen beiden Strecken, die im Personenverkehr jedoch nur von gelegentlichen Sonderzügen befahren wird. In Žalhostice kreuzen wir mit dem Gegenzug nach Česká Lípa. Anschließend überqueren wir die KBS 072, schwenken in einer großen Kurve nach Süden, überqueren die Labe (Elbe) mittels einer großen Eisenbahnbrücke und finden uns fast wie auf einer Hochbahn unvermittelt im Industriegebiet der Lovochemie, Tschechiens größtem Mineraldüngemittelproduzenten, wieder. Mit etwas Glück kann man hier während der Vorbeifahrt von oben den vorhandenen Werkloks der Baureihe 740 beim Rangieren zusehen. Nach dem zugehörigen Haltepunkt Lovosice závod biegt der Zug in einer ebenso großen Kurve wieder nach Westen ab, durchfährt den Güterbahnhof Lovosice jih (Süd) und kommt schließlich in Lovosice zum Stehen.

Lovosice ist ein relativ großer Eisenbahnknoten, in fünf (eigentlich sechs) Richtungen führen Strecken nach Ústí nad Labem, Kralupy nad Vltavou (und weiter nach Praha), über Litoměřice nach Česká Lípa, über Úpořiny nach Teplice sowie nach Louny bzw. Postoloprty. Hinzu kommt die im Regelverkehr eingestellte, aber außerordentlich reizvolle Strecke nach Most, auf der an den Sommerwochenenden ein Ausflugsverkehr (zwei Zugpaare) mit historischen Hurvínek-Triebwagen durchgeführt wird.

Wir verlassen Lovosice nun wieder in Richtung Ústí nad Labem (KBS 090). Die Personenzüge (Os) auf dieser Strecke werden derzeit hauptsächlich mit S-Bahn-Zügen der Baureihen 451 und 471 gefahren.

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471 009 als Os 2316 Roudnice nad Labem - Ústí nad Labem hl.n. in Lovosice

Es könnte keinen treffenderen Namen für die Baureihe 471 geben als den des Stadtelefanten. Diese massiven Doppelstocktriebwagen für den Betrieb mit 3 kV Gleichstrom (der erste wurde 1997/1998 gebaut) verfügen über eine Leistung von 2000 kW und sind 140 km/h schnell. Der mit viel weißer Plaste und rosafarbenen Sitzen ausgestattete Innenraum erscheint zunächst etwas ungewohnt, die angenehm weiche Sitzpolsterung stellt jedoch mühelos so ziemlich alles in den Schatten, was man in deutschen Doppelstockwagen diesbezüglich vorfinden mag. Lediglich die stark getönten Scheiben sind zum Herausgucken etwas störend. Im Ústecký kraj kommen die Stadtelefanten mit Personenzügen (Os) von Praha bzw. Roudnice nad Labem aus bis nach Ústí nad Labem. Nun kann man sich fragen, was ein S-Bahn-Triebwagen im Elbtal sucht, in der Tat sind jedoch auf der KBS 090 die Bahnhofsabstände teilweise so kurz, daß man den Eindruck gewinnt, daß der Zug hier alle paar Meter hält. Auf dem Bild ist ein Triebwagen der ersten Bauserie zu sehen. Ab 471 022 bekamen die Stadtelefanten etwas moderner wirkende Stirnfronten und auch eine hübsche schnittigere Lackierung im Pfeilstil. Derzeit sind 50 Triebzüge im Einsatz, kürzlich wurde sogar eine Doppeleinheit probeweise im Schnellzugverkehr eingesetzt.

Wir halten noch einmal in Lovosice město, dann führt die Fahrt wieder Richtung Norden. Bei Malé Žernoseky sehen wir auf der gegenüberliegenden Flußseite die Weinberge von Velké Žernoseky. Wir erreichen die Porta Bohemica (auch Böhmische Pforte; Česká brána), den Beginn des Durchbruchs der Elbe durch das Böhmische Mittelgebirge, der nächste Halt ist Litochovice nad Labem. Vor Prackovice nad Labem sieht man - wieder auf der gegenüberliegenden Flußseite - die Kirche von Libochovany. Meinem Eindruck nach hat man von der KBS 090 eine bessere Aussicht auf die Orte des Ostufers als von der KBS 072 selbst, die direkt an diesen vorbeiführt. Es folgt noch Dolní Zálezly und einige Kilometer weiter wartet schon wieder die Burg Střekov (Schreckenstein) auf den vorbeifahrenden Reisenden. Im Hauptbahnhof von Ústí nad Labem hat der Stadtelefant sein Ziel erreicht.

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163 093 (ČEZ) mit Os 6824 Děčín hl.n. - Most in Ústí nad Labem hl.n.

Es gibt insgesamt fünf Loks, die eine Werbung für den Energiekonzern ČEZ tragen. Interessanterweise unterscheiden sich diese in der Anzahl ihrer Blitzzacken an den Seiten. Die 163 093 hat einen, jeweils einen mehr haben - in dieser Reihenfolge - 363 019, 363 021, 163 030 und 151 019. Daß sich ein Werbemotiv auf Lokomotiven verschiedener Baureihen wiederfindet, kommt in Tschechien mehrfach vor.

Eigentlich könnte man ab Ústí nad Labem schon wieder mit dem Eurocity zurückfahren, doch wir fahren mit dem nächsten Personenzug noch weiter nach Děčín. Zum Einsatz kommt eine Garnitur wie oben auf dem Bild, die in Ústí nad Labem sever und noch neun weitere Male auf ohrenbetäubende Art und Weise daran erinnert, daß die Wagen mit Klotzbremsen ausgestattet sind (bei etlichen heruntergelassenen Fenstern im Wagen ein gewisses Erlebnis).

In Děčín wollte ich noch meiner Theorie nachgehen, ob der Os 2643/2642 aus Rumburk (siehe Teil 1) neuerdings regelmäßig lokbespannt mit einer 742 fährt. Nach dem Auftauchen des planmäßigen Regionovas mit einer Brotbüchse im Schlepp stellte sich die Idee zunächst als falsch heraus. Jedoch kam kurz darauf die folgende Garnitur aus dem Depot und wurde als Gegenzug bereitgestellt...

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742 035 mit Os 2617 Děčín hl.n. - Dolní Poustevna in Děčín hl.n.

Ob die 742-Einsätze auf der KBS 081 nun eine gewisse Regelmäßigkeit haben oder es purer Zufall und schlichtes Fotografenglück war, bleibt nach wie vor offen. Zweifellos wäre es interessant gewesen, dem Zug in Richtung Rumburk und durch den Schluckenauer Zipfel zu folgen, aber man kann nicht überall sein. Ein anderes Mal vielleicht.

- Ende -

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