janw.de - Unterwegs in Tschechien
 Von Dresden über Praha ins Sázavatal 23.07.2011 
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371 003 mit EC 173 "VINDOBONA" Hamburg-Altona - Villach Hbf in Dresden Hbf

Täglich gegen 11.00 Uhr steht im Dresdner Hauptbahnhof der Eurocity VINDOBONA über Praha und Wien nach Villach zur Abfahrt bereit. Im Jahr 2011 besteht der Zug weitgehend aus grau-roten ÖBB-Wagen, jeweils an den beiden Zugenden befindet sich ein Wagen der DB. Die Zuglok ist wie immer eine tschechische 371, die den Zug mit bis zu 160 km/h nach Praha befördern wird, von wo es dann mit einer 1216 der ÖBB weitergeht.

Der Zug verlässt Dresden und folgt der Elbe stromaufwärts. Nach wenigen Minuten erreicht er bei Pirna die Sächsische Schweiz und das Elbsandsteingebirge, bei Kurort Rathen kann man aus dem Zug hinauf zur Bastei schauen. Nach etwa dreißig Minuten erreicht der Eurocity Bad Schandau, eine Viertelstunde später ist man bereits in Děčín. Das Elbstandsteingebirge geht hier in die České středohoří (Böhmisches Mittelgebirge) über. Außerdem führen ab hier nun beiderseits der Labe (Elbe) Bahnstrecken nach Süden, auf der westlichen Seite die KBS 090/091 in Richtung Praha und auf der östlichen Seite die KBS 073/072 in Richtung Mělník und Lysá nad Labem. Auf beiden Strecken fahren relativ viele Züge, so dass man von der einen Strecke über den Fluss den Verkehr auf der anderen Seite gut beobachten kann. Wieder fünfzehn Minuten später hält der Zug im Hauptbahnhof von Ústí nad Labem. Für den Eurocity ist es der letzte Halt vor Praha, auch wenn es bis dahin noch etwa hundert Kilometer sind. An der Porta Bohemica (auch Česká brána bzw. Böhmische Pforte genannt) verlässt er schließlich die bis dahin typische Mittelgebirgslandschaft. Hinter Lovosice, wo üblicherweise der Nahverkehrszug von Ústí nad Labem nach Praha überholt wird, verlässt die KBS 090 für ein paar Kilometer den Lauf der Labe, kehrt bei Roudnice nach Labem noch einmal eine Weile zum Fluss zurück, um dann schließlich in der Nähe von Mělník entgültig nach Südwesten abzubiegen. Die Landschaft ist nun flacher und von der Landwirtschaft geprägt. Es dauert nicht mehr lange und die Bahnstrecke trifft nun auf die Vltava (Moldau), an deren Ufer sie bis Praha verlaufen wird. Kralupy nad Vltavou wird durchfahren, ungefähr ab Roztoky verläuft die Vltava in einem Tal. Schließlich werden die ersten Vororte von Praha erreicht. Schließlich hält der Zug kurz in Praha-Holešovice und fährt anschließend in einem großen Bogen über diverse Brücken und den Tunnel der Nové spojení (Neue Verbindung), einer erst seit 2009 in Betrieb befindlichen Neubaustrecke, zum Hauptbahnhof von Praha. Übrigens nehmen nicht alle Züge aus Richtung Ústí nad Labem diesen Weg, ein Teil biegt noch vor Praha-Holešovice nach Süden ab und fährt zum Masarykovo nádraží (Masaryk-Bahnhof).

Zweifellos gibt es in Praha viele interessante Dinge zu sehen, aber das eigentliche Ziel dieser Reise ist die Fahrt mit diesem Zug...

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749 039 mit Os 9063 Praha hl.n. - Čerčany in Praha hl.n.

Im Jahr 2011 ist das Depot Praha-Vršovice eines der letzten Bahnbetriebswerke, welches planmäßig noch im größeren Stil Diesellokomotiven der Baureihe 749 im Personenverkehr einsetzt. Wir befinden uns also auf den Spuren der letzten Bardotkas. Die dieselelektrischen Lokomotiven wurden etwa ab Mitte der 1960er Jahre gebaut, sie sind 100 km/h schnell und besitzen eine Leistung von etwa 1100 kW. Ursprünglich gab es zwei Baureihen: die T 478.1 (später 751) mit Dampfkessel zur Wagenheizung und die Güterzugversion T 478.2 (später 752) ohne Dampfkessel. In den 1990er Jahren wurden insgesamt 60 Maschinen beider Baureihen auf eine elektrische Zugheizung umgebaut und so zur Baureihe 749. Die 749 039 trägt eine Vollwerbung für AŽD Praha, sie ist die einzige Bardotka, die jemals eine Werbelok gewesen ist.

Das wohl interessanteste Einsatzgebiet der Loks im Jahr 2011 ist die Teilstrecke der KBS 210 von Praha über Vrané nad Vltavou nach Čerčany, wo die Loks an den Sommerwochenenden mit bis zu vier Doppelstockwagen eingesetzt werden. Letztere wurden übrigens in Görlitz hergestellt und entsprechen weitgehend den ursprünglichen Wagen der DR, sie besitzen die charakteristischen roten Sitzbänke und Fenster zum Öffnen. Im Hochsommer ergibt dies in Kombination mit einer Diesellok ohne Schalldämpfer auf der Strecke nach Čerčany zwei Stunden Spaß. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die planmäßigen Einsätze dieser Loks im Jahr 2013 endeten, abgelöst wurden sie in Praha durch Brejlovec der Baureihen 750.7 und 754.

Bis zur Abfahrt des Zuges nach Čerčany ist noch etwas Zeit und so entsteht das folgende Bild...

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KŽC M 262.0124 (830 124) als Os 18326 Praha hl.n. - Praha-Zličín und 471 015 + 471 023 als Os 8836 Praha hl.n. - Beroun in Praha hl.n.

Der 1958 gebaute und von KŽC aus der Slowakei übernommene Triebwagen M 262.0124 wird über den sogenannten Prager Semmering nach Praha-Zličín fahren. Diese Fahrten finden als Ausflugsverkehr an den Wochenenden im Sommerhalbjahr statt. Daneben steht eine Doppeleinheit Stadtelefanten (von der nur ein Teil zu sehen ist), die gerade im S-Bahn-Verkehr nach Beroun unterwegs sind. Die Doppelstocktriebwagen sind etwa 40 Jahre jünger als die Nähmaschine.

Doch nun zurück zur Bardotka. Um 14.25 Uhr setzt sich die Lok mit Os 9063 in Bewegung. Es sind gute 25°C drinnen und draußen, die Fenster sind auf - und als erstes verschwindet der Zug im Tunnel nach Praha-Vršovice. Der ohnehin schon sehr spezielle Klang der beschleunigenden Lok ist im Tunnel ein Erlebnis. Nach dem Halt in Praha-Vršovice passiert der Zug das gleichnamige Bahnbetriebswerk und kurz darauf den Bahnhof Praha odstavné nádraží jih (Abstellbahnhof Süd, auch kurz Praha ONJ genannt). Die Strecke wendet sich zunächst westwärts über Praha-Krč, ab Praha-Braník dann jedoch südwärts und verläuft nun etwa die nächsten zehn Kilometer direkt am Ostufer der Vltava (Moldau) flussaufwärts bis Vrané nad Vltavou. Gehalten wird zwischendurch in Praha-Modřany zastávka, Praha-Komořany, Praha-Zbraslav und Jarov (hier folgt ein Tunnel). In Vrané nad Vltavou steht gerade ein 810, der wahrscheinlich später den anderen Streckenast der KBS 210 nach Dobříš, der ein paar Kilometer südlich hinter Skochovice abzweigt, befahren wird. Außerdem kreuzt der Zug mit einer 714, die einen Personenzug mit drei Brotbüchsenbeiwagen zurück nach Praha zieht. Die Fahrt führt weiter dicht am Flussufer der Vltava entlang. Es werden zwei weitere Tunnel durchfahren, bevor schließlich Davle erreicht wird. Hier befindet sich auch die Mündung der Sázava, an deren Ufer die Strecke nun ostwärts führt. Es folgt der Haltepunkt Petrov-Chlomek und darauf Petrov u Prahy. Etwa ab hier beginnt der spektakulärste Abschnitt der Strecke, die nun an den Felshängen oberhalb der Sázava entlang führt und dabei stetig an Höhe gewinnt. Etwas hinter der nächsten Station Luka pod Medníkem wird ein Viadukt überfahren, kurz darauf biegen die Gleise nach Norden in ein Seitental ab und der Bahnhof Jílové u Prahy wird erreicht. Die Strecke dreht drauf wieder in mehreren Bögen nach Südosten ab und erreicht nach Kamenný Přívoz und Prosečnice wieder die Nähe der Sázava. Es folgen noch Krhanice und Chrást nad Sázavou, bis Týnec nad Sázavou erreicht und gewartet wird, bis der Gegenzug aus Čerčany in Form von 749 121 und vier Doppelstockwagen eintrifft.

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749 039 mit Os 9063 Praha hl.n. - Čerčany in Týnec nad Sázavou

Direkt hinter dem Bahnhof Týnec nad Sázavou wird die Sázava überquert, die Bahnstrecke schlängelt sich nun auf relativ direktem Weg über die Haltepunkte Pecerady, Poříčí nad Sázavou-Svárov und Poříčí nad Sázavou nach Čerčany, wo sie auf die elektrifizierte Hauptstrecke Praha - Benešov u Prahy - České Budějovice (KBS 220/221) trifft. Während die Bardotka umsetzt und wieder gemütlich entlang von Sázava und Vltava zurück nach Praha fahren wird, fährt ein Stadtelefant der Baureihe 471 die direkte Strecke über Říčany nach Praha in etwa 50 min.

Wieder zurück in Praha finden sich auf dem Hauptbahnhof zufällig noch ein paar interessante Züge...

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KŽC M 286.1008 (851 008) mit Sp 1650 Kácov - Lysá nad Labem in Praha hl.n.

Der hier als Sonderzug mit einem Beiwagen eingesetzte M 286.1008 wurde im Jahr 1968 für den Schnellzugverkehr gebaut. Auch er wurde zuletzt in der Slowakei eingesetzt. Die Triebwagen der Baureihe 851 sind 110 km/h schnell, der Unterschied zur Baureihe 850 ist eine etwas erhöhte Motorleistung. Der Beiwagen ist passend zur Baureihe 820, einem Nahverkehrstriebwagen, der ebenfalls in den 1960er Jahren gebaut wurde.

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854 027 mit Os 9514 Praha-Vršovice - Mladá Boleslav hl.n. in Praha hl.n.

Die Triebwagen der Baureihe 854 entstand Ende der 1990er Jahre durch Rekonstruktion und Remotorisierung der Baureihen 852 und 853. Eine Besonderheit stellen dabei die beiden Triebwagen 854 021 und 854 027 dar. Diese behielten das äußere Erscheinungsbild der originalen Baureihe 853 vom Ende der 1960er Jahre. Sie gehören zu den historischen Fahrzeugen der ČD und können zusammen mit zwei passenden Beiwagen als vierteiliger Retrozug eingesetzt werden. Ein interessantes Detail ist, dass der Schnellzug und heutige Eurocity "VINDOBONA" Berlin - Praha - Wien um 1970 mit diesen Triebwagen gefahren wurde. Die beiden Triebwagen sind derzeit beim Depot Praha-Vršovice beheimatet und werden auch im normalen Planverkehr eingesetzt. An den Seiten des 854 027 ist die alte Fahrzeugnummer M 296.1027 angebracht.

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151 011 mit IC 581 "HUTNÍK" Praha hl.n. - Třinec in Praha hl.n.

Die 160 km/h schnellen Gleichstromlokomotiven der Baureihe 151 entstanden Ende der 1990er Jahre durch Modernisierung einiger Loks der Baureihe 150. Die 151 011 trägt das erste Najbrt-Farbschema in der Variante mit grauem Rahmen und Dach sowie dunkelblauen Frontbalken und kleinem ČD-Logo an den Stirnseiten. Mit dieser speziellen Farbgebungskombination könnte sie ein Einzelstück sein. Der bunte Zug besteht aus elf Wagen verschiedener Bauarten und und Farbgebungen, der zweite Wagen hinter der Lok ist ein Speisewagen, auf ihn folgt ein Halbgepäckwagen.

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