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 Tschechischer Frühling (Teil 1): Děčín - Česká Lípa - Jedlová - Děčín 19.04.2009 
An den letzten Wochenenden war ich nach längerer Pause wieder mal in Tschechien unterwegs. Die Fahrt des ersten Teils dieser Miniserie führt von Děčín über Česká Lípa nach Jedlová und wieder zurück nach Děčín, eine kleine Rundfahrt, die man von Dresden aus bequem an einem Nachmittag durchführen kann - komplett mit dem Zug, versteht sich. Naturgemäß gibt es daher zwar nur Bahnhofsbilder anstelle von Streckenaufnahmen zu sehen, dafür werde ich mich aber ein wenig mehr mit den Fahrzeugen befassen.

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163 097 mit Os 6821 Děčín hl.n. - Most in Děčín hl.n.

Wir befinden uns in Děčín hl.n., zentraler Personenverkehrsknoten und gleichzeitig nördlichster Fernbahnhof Tschechiens. Was wir hier sehen, ist eigentlich ein ziemliches Allerweltsbild, das deutsche Äquivalent dazu wäre sowas wie eine 143 mit y-Wagen. Letztere Kombination findet man hierzulande aber auch nicht mehr so häufig und genau darauf will ich hinaus. Ab Mitte des Jahres wird die ČD ein neues Farbschema einführen, das mit der Grundfarbe Blau an dem einen oder anderen Fahrzeug ziemlich gewöhnungsbedürfig aussehen dürfte. Auch wenn keine groß angelegte Umlackierungswelle zu befürchten ist: wer noch diese grünen Loks und Wagen fotografieren will bzw. das über die Jahre noch nicht getan hat, dem sei gesagt, daß es langsam Zeit dafür wird. Die 163 257 fährt bereits in der neuen Lackierung herum, diese Lok sieht man ab und an auch in Děčín. (Die 163.2 sind das Ergebnis einer Umbauaktion, in der 162 zu 163.2 und 363 zu 362 wurden.) 163er findet man im Ústecký kraj vor den Personenzügen Děčín hl.n. - Ústi nad Labem hl.n. - Most (- Chomutov) (KBS 090/130) und Ústí nad Labem západ - Lysá nad Labem (KBS 072) sowie auf derselben Strecke vor den Schnellzügen Ústí nad Labem západ - Kolín (KBS 072/231). Unter den 163ern finden sich auch zwei Werbeloks für den Energiekonzern ČEZ - 163 030 und 163 093. Letztere ist auch im Raum Děčín anzutreffen. 163 100 trägt auf der Lüftergitterseite - auf dem Bild wäre sie dem Bahnsteig zugewandt - als kleine Besonderheit eine schwarze 100.

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750 258 mit R 1162 Liberec - Ústí nad Labem hl.n. in Děčín hl.n.

Mit Einsätzen von Großdieselloks sieht es im Personenverkehr des Ústecký kraj eher dünn aus. Lediglich vor den Schnellzügen von Liberec nach Ústí nad Labem findet man die einst aus 753 umgebauten 750er (750 258 begann ihr Lokleben also als 753 258 bzw. T 478.3258). Einer dieser Schnellzugumläufe fährt jedoch planmäßig mit einem 843. Letztes Jahr konnte man hier auch noch 749er antreffen und z.B. vor drei Jahren wurden diese Züge in Děčín auf 363 umgespannt und fuhren über Ústí nad Labem und Karlovy Vary bis Cheb. Man mag es kaum glauben, aber die Lackierungsvariante der 750 258 mit dem gelben Zierstreifen an den Stirnseiten ist in Tschechien m.W. einzigartig. Lediglich einige slowakische 754 (754 034, 052, 069 und 071 - alle in Zvolen beheimatet) fahren ebenfalls so herum - sofern sie nicht in der Zwischenzeit umlackiert wurden.

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371 003 mit Os 17267 Bad Schandau - Děčín hl.n. in Děčín hl.n.

Infolge der Aufteilung der Tschechischen Staatsbahn in eine Personen- und eine Güterverkehrssparte und der Zuordnung der kompletten Baureihe 372 zu letzterer fahren die Elbe-Labe-Sprinter am Wochenende nun planmäßig mit 371. Dies führt zu der kuriosen Kombination einer 160 km/h-Lok mit einem komplett aus Liegewagen bestehenden Zug im grenzüberschreitenden Nahverkehr. Gelegentlich kommen hier auch die beiden Vorserien-754 750 409 (ex 754 201, 754 002, T 478.0001) und 750 410 (ex 754 202, 754 002, T 478.0002) zum Einsatz. Im Hintergrund ist das Děčíner Schloß zu sehen und unterhalb dessen die Eisenbahnbrücke über die Labe (= Elbe), über die man zum Ostbahnhof (Děčín východ) gelangt. In dieser Richtung verlassen wir Děčín.

Hinter dem Ostbahnhof biegt die KBS 081 Děčín - Česká Lípa/Rumburk in das Tal der Ploučnice ein. Während es in Deutschland mit dem Frühling noch eher mau aussah, blühte hier Mitte April so ziemlich alles, was nur blühen konnte. Entlang unzähliger weiß blühender Bäume werden wir der Ploučnice nun flußaufwärts bis Česká Lípa folgen. Nachdem der Zug Děčín verlassen hat, an der Plattenbauten von Březiny, dem Steinbruch von Soutěsky und schließlich durch Malá Veleň gefahren ist, erreichen wir Benešov nad Ploučnicí. Hier zweigen wir von der direkten Strecke nach Rumburk über Česká Kamenice und Jedlová ab und kreuzen außerdem mit dem Gegenzug aus Česká Lípa. Vor Františkov nad Ploučnicí wechseln wir die Flußseite. Die nächsten Stationen sind Starý Šachov und Žandov, anschließend folgt Horní Police. Der Bahnhof mit den kleinen Blumenbeeten vor dem Bahnsteig ist ein Kleinod und erinnerte mich spontan an Telnice (KBS 132). Auch die hübsche Wallfahrtskirche verleitet dazu, hier mal etwas zu verweilen - ein Schloß gibt es auch noch. Der nächste Ort entlang der Strecke ist Stružnice. So nach und nach öffnet sich das Flußtal, die Gegend wird nun mehr von der Landwirtschaft genutzt. Das erste, was man von Česká Lípa zu sehen bekommt, ist die bunte Plattenbausiedlung am Holý vrch. Hier befindet sich die letzte Station, bevor unser Zug in den Hauptbahnhof einfährt und dort endet. In den Sommermonaten fahren einige Züge von Děčín nach dem Kurswagenprinzip weiter bis nach Doksy.

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810 667 mit Os 6629 Děčín hl.n. - Česká Lípa hl.n. in Česká Lípa hl.n.

Die Brotbüchse gehört mit ihrer hohen Nummer zu den letztgebauten Triebwagen ihrer Baureihe. Die neue UIC-Beschriftung am Beiwagen verrät, daß diese nun nicht mehr ähnlich den Triebfahrzeugen als 010 u.s.w., sondern gemäß dem Wagenschema eingeordnet und umgezeichnet werden. Die neue Gattungsbezeichnung für die Brotbüchsen-Beiwagen lautet Btax.

Der Aufenthalt in Česká Lípa ist nur kurz und außer Triebwagen - darunter 830 159 am Depot - steht gerade nichts Interessantes herum. Nach wenigen Minuten rollt bereits der Schnellzug aus Kolín in Form eines 854 plus Steuerwagen heran und mit diesem geht es nun wieder in Richtung der Berge.

Wir befinden uns nun auf dem nördlichen Teil der KBS 080 Bakov nad Jizerou - Jedlová. Von Česká Lípa sieht man aus dem Zug nicht allzu viel, da die Eisenbahn wie so oft in Tschechien das Stadtzentrum relativ weiträumig umfährt. In Česká Lípa-Střelnice hält der Zug nochmal, dann verlassen wir die Stadt. Hinter Střelnice zweigte früher die Bahnstrecke nach Česká Kamenice ab, deren von Česká Lípa aus letztes Teilstück ab Kamenický Šenov heute eine Museumsbahn ist. Auffällig sind nun einige um die 450-500 m hohe Kegelberge auf der östlichen Seite wie z.B. der Špičák bei Česká Lípa und weiter nördlich der Skalický vrch und Chotovický vrch bei Skalice. In der Glasmacherstadt Nový Bor wird der bis hierhin recht volle Zug nahezu leer, ebenso kommt uns der Gegenschnellzug aus Rumburk entgegen. Nächster Halt ist Svor, von hier führte einst eine Bahnstrecke nach Jablonné v Podještědí. Nun geht es entgültig in Richtung des Lausitzer Gebirges und durch endlos erscheinende Wälder. Jedlová zastávka ist eine Holzhütte mitten im Wald. Schließlich erreichen wir den Bahnhof Jedlová, ebenso mitten im Grünen und fernab der umgebenden Ortschaften gelegen und benannt nach dem Berg, den man von hier aus sehen kann. Hier treffen wir wieder auf den Nordast der KBS 081 aus Děčín.

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854 022 mit R 1112 Kolín - Rumburk in Jedlová

Die 854 sind 120 km/h schnelle vierachsige Triebwagen, die im leichten Schnellzugverkehr zum Einsatz kommen. Sie entstanden um die Jahrtausendwende durch Modernisierung und Remotorisierung der Baureihen 852 und 853, wobei die 853 zu 854.0 und die 852 zu 854.2 wurden. Man würde kaum auf die Idee kommen, daß diese zeitlosen Triebwagen schon um die 40 Jahre alt sind. Die 854 unterscheiden sich optisch noch einmal durch die Art der Lampeneinfassungen. Auf dem Bild sehen wir die modernere Variante, wie sie ab Mitte 2003 verbaut wurde. Mit den älteren Fassungen sind 854 005, 006, 009, 010, 013, 014, 023, 024, 026, 028, 030, 031, 034, 204, 216, 223 und 225 unterwegs. Hinzu kommen die im äußerlichen Ursprungszustand belassenen 854 021 (ex 853 021) und 854 027 (ex 853 027), die zudem noch in der alten beige-roten ČSD-Farbgebung unterwegs sind. Originale 852 oder 853 sind bei der ČD nicht mehr im Einsatz. Das Motorengeräusch der 854er mag nicht jedermanns Sache sein, jedoch sind sie im Innenraum ausgesprochen bequem. (Barborka kommt übrigens von Barbara.)

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810 165 mit Os 6031 Jedlová - Česká Lípa hl.n. in Jedlová

Nachmittagsidylle am Bahnhof Jedlová. Im Hintergrund ist der gleichnamige Berg zusehen, früher auch Tannenberg genannt. Mit 774 m Höhe ist er der dritthöchste Berg des Lausitzer Gebirges (Lužické hory). Auf seinem Gipfel befindet sich ein Aussichtsturm, den man vom Bahnhof aus Erwandern kann. Ebenfalls ganz in der Nähe befindet sich mit der Burgruine Tolštejn ein weiteres bekanntes Ausflugsziel.

Für die Rückfahrt nach Děčín wähle ich nun den direkten Weg, wieder über die KBS 081. Kurz vor der Planabfahrt meines Zuges schallt es jedoch durch den Wald, wie wenn sich eine 4000 PS-Brotbüchse ihren Weg durchs Unterholz bahnen würde. Da es diese natürlich nicht gibt, warte ich gespannt auf das, was da kommen mag. Da ist doch nicht etwa etwas Lokbespanntes unterwegs? Die Überraschung ist perfekt, als inmitten einer abgesehen von spärlichem Güterverkehr reinen Triebwagengegend plötzlich eine 742 mit einem Zug geradezu spektakulärer Länge einfährt. Hinzu kommt, daß die Lok mit ihrer etwas vom 742-Standard abweichenden Lackierung ein Einzelstück ist.

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742 035 mit Os 2643 Rumburk - Děčín hl.n. in Jedlová, am Zugschluß läuft 814 017 mit

Der Grund dieser außerplanmäßigen Zugbildung blieb bisher verborgen. Was sich jedoch im Nachhinein herausfinden ließ ist, daß 742 035 mit drei Brotbüchsen-Beiwagen im April wiederholt in wechselnden Triebwagenumläufen zwischen Děčín und Rumburk im Einsatz war (oder vielleicht sogar noch ist) und damit sogar bis Dolní Poustevna gekommen sein könnte. Wie dem auch sei, für den meist recht vollen Os 2643/2642 (normalerweise mit 814.0 + 810 gefahren) waren die zusätzlichen Wagen bei dem schönen Wetter ein Segen.

Die Fahrt führt wieder in Richtung Děčín. Vobei an Kytlice und nach der obligatorischen Zugkreuzung in Mlýny fahren wir durch das schöne Tal der Kamenice. Nach Horní Kamenice folgt Ceská Kamenice, wo neben anderen Fahrzeugen auch gerade die KŽC T 334.0722 abgestellt stand. Bis Benešov nad Ploučnicí folgen nun noch Veselé pod Rabštejnem, Markvartice und Dolní Habartice. Auf diesem Streckenabschnitt hat man hier und da eine grandiose Aussicht auf die Landschaft des östlichen Teils des Böhmischen Mittelgebirges. Die KBS 081 mit ihren beiden Streckenästen gehört m.E. zu den schönsten Eisenbahnstrecken Tschechiens.

Je näher wir Děčín kommen, umso mehr füllt sich der Zug. Und schließlich sind wir wieder da, wo wir nur wenige Stunden zuvor mit der Rundfahrt begannen. Zeit, um noch ein weiteres Bild der ungewöhnlichen Zugkombination von eben zu machen...

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742 035 mit Os 2642 Rumburk - Děčín hl.n. in Děčín hl.n., am Zugschluß noch immer 814 017

Die 742 mit den drei Beiwagen wurde hier abgehangen und verschwand kurz darauf in Richtung Depot bzw. Güterbahnhof, der Regionova fuhr anschließend solo seine nächste Runde über Rumburk nach Dolní Poustevna.

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BFL 770 526 + 740 621 in Děčín hl.n.

Während des Wartens auf den nächsten Eurocity zurück nach Deutschland tat sich noch etwas. Eine Hummel der Baureihe 770 und eine 740 von BF Logistics kamen aus dem westlichen Teil des Güterbahnhofs, sägten im Hauptbahnhof hin und her und verschwanden schließlich nach Děčín-Postřední Žleb. Die beiden Hummel-Baureihen 770 und 771 (der Name kommt von ihrem Sound) sind bei der ČD (inkl. Cargo) kaum noch im Einsatz, etwa 16 von einst etwa 300 Loks könnten noch im Betriebsbestand sein. Allerdings gibt es noch einzelne weitere Loks bei Privat- und Industriebahnen. Für diese Zielgruppe sind in den letzten Jahren auch einige moderne Neuaufbauten auf 770/771-Basis entstanden, z.B. die gewaltigen 774.7 der Sokolovská uhelná.

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371 005 mit EC 170 "HUNGARIA" Budapest-Keleti pu - Berlin Hbf (tief) in Děčín hl.n.

Der EC 170 fährt dieses Jahr mit Wagen der MÁV-START, der Personenverkehrsgesellschaft der ungarischen Staatsbahn. Durch ihre Farbgebung machen die Wagen als Fotomotiv einiges her, innen drin sind sie jedoch eher ungewöhnlich gestaltet. So findet man Deckenteppiche in den Großraumwagen und auch die Gepäckablagen sehen völlig anders aus als im Allgemeinen gewohnt. Das Innenleben der Seitengangwagen sieht aufgrund von großflächigem Einsatz von dunkelst getönten Scheiben recht düster aus. Bemerkenswert: Von Budapest bis Berlin fährt der Zug in etwa 12 Stunden eine Strecke von 925 km! Überboten wird dies noch z.B. vom EC 379 "CARL MARIA VON WEBER", der es von Ostseebad Binz nach Brno hl.n. auf 943 km bringt. Auch dieser Zug hält in Děčín.

Für heute ist die Fahrt jedoch erst einmal zu Ende.

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